Campus Dahlem
Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) wurde 1911 als erste deutsche Einrichtung für Grundlagenforschung in Berlin gegründet. Ziel war in erster Linie die Förderung der Naturwissenschaften, deren Bedeutung spätestens seit der Hochindustrialisierung in der Gründerzeit klar geworden war.
Ergänzend zur Arbeit der Universitäten und in Zusammenarbeit mit ihnen sollte die KWG Forschung in eigenen Instituten betreiben. Die Wissenschaftler waren dort von jeder Lehrpflicht entbunden und sollten die beste Ausstattung mit Geräten erhalten.
Adolf von Harnack, Theologe und Direktor der Königlichen Bibliothek in Berlin, und der preußische Kultusminister Friedrich Althoff hatten den Plan seit 1909 entwickelt und ihn erfolgreich dem Parlament und Kaiser Wilhelm II. vermittelt. Der Kaiser willigte ein, die neue Gesellschaft nach ihm zu benennen.
Schon bei der Gründung hatte man das königliche Domänengut in Berlin-Dahlem als geeigneten Standort für den Bau der neuen Forschungsinstitute identifiziert. Denn das Land gehörte dem Staat, der ausgewählte Flächen kostenlos für den Bau der Wissenschaftsgebäude zur Verfügung stellte. Weitere Gelder wurden bei der Industrie und privaten Spendern eingeworben. Der Name des Kaisers sicherte der neuen Gründung hohe Reputation, und für viele reiche Leute wurde es bald eine Frage des guten Rufs, Förderndes Mitglied der KWG zu sein. Unter den Mäzenen waren besonders viele jüdische Financiers.
Die ersten Institute entstanden schon ein Jahr nach Gründung der KWG ab 1912 in Berlin-Dahlem. Im Oktober konnte der Kaiser die Institute für Physikalische Chemie und Elektrochemie unter Leitung Fritz Habers und für Chemie unter Leitung von Ernst Beckmann eröffnen. Im Weltkrieg expandierte Habers Institut, denn Haber stellte es voll in den Dienst des Krieges und entwickelte Giftgaswaffen für das deutsche Heer.
1915 wurde trotz des Krieges mit dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie ein weiterer Bau eröffnet. Mitte der 1920er-Jahre war der Campus auf fünf Institute angewachsen, weitere waren in Gründung.
Clubhaus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
Doch die Infrastruktur im ländlichen Dahlem war nicht mitgewachsen. In den 1920er-Jahren machte sich das Fehlen einer Infrastruktur spürbar bemerkbar, denn die Zahl der Institute nahm zu und diese beschäftigten mehr Mitarbeiter. Außerdem waren immer mehr Wissenschaftler aus dem Ausland zu Gast. Da es in Dahlem nur wenige Übernachtungsmöglichkeiten und keinen zentralen Hörsaal gab, entstand der Wunsch nach einem zentralen Ort mit Gästezimmern, Gastronomie, Veranstaltungs- und Vortragssälen sowie Salonräumen für zwanglose Treffen.
1929 wurde auf Initiative Adolf von Harnacks, Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, und seines Generalsekretärs Friedrich Glum der Plan für ein internationales Gäste- und Clubhaus in die Tat umgesetzt. Unterstützung gab Außenminister Gustav Stresemann, dessen politischer Kurs auch gegen die harten Widerstände seiner politischen Gegner auf Frieden und Völkerverständigung zielte. Er hatte erkannt, dass Wissenschaftler dazu entscheidend beitragen konnten.
Im Mai 1929 wurde das Harnack-Haus als Ort der Wissenschaft und der Völkerverständigung eröffnet. Stresemann selbst hielt eine der Eröffnungsreden. Das Konzept ging auf und das Haus entwickelte sich danach zu einem internationalen geistigen Treffpunkt in Berlin.
Clubleben
Das neue Clubhaus etablierte sich schon kurz nach seiner Eröffnung als Treffpunkt der pulsierenden Metropole Berlin. Prominente aus Wissenschaft und Kunst, Politiker und Diplomaten besuchten es ebenso wie Bankiers und Industrielle. Gäste aus Europa und Übersee logierten manchmal mehrere Monate.
Für die KWG war das Harnack-Haus ein neuer wichtiger Ort der Kommunikation. Der Präsident der KWG und viele Direktoren der Dahlemer Institute empfingen hier Gäste standesgemäß, gaben Teenachmittage oder Bankette für einen kleinen Kreis ausgewählter Persönlichkeit aus Politik, Wirtschaft und Kultur.
Neben der KWG buchten auch andere wissenschaftliche Einrichtungen das Haus für ihre Veranstaltungen, darunter der Akademische Austauschdienst, der Deutsche Akademikerinnenbund, die Staatlichen Museen Berlin und ausländische Kulturinstitute. Das Harnack-Haus wurde damit bald zu einem Knotenpunkt im internationalen Netzwerk von Forschung, Politik und Wirtschaft weit über die KWG hinaus.
Daneben gab es Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit. Im Hörsaal referierten bekannte Wissenschaftler ihre Themen auch für ein interessiertes Laienpublikum und legten damit die Grundlagen einer modernen Wissenschaftsvermittlung. Die Themen reichten von der Ornithologie bis zur modernen Atomphysik, Genetik und Biochemie. Es umfasste aber auch geisteswissenschaftliche Vorträge.